Positionspapier
Nachverdichtung im Stadtgebiet Neumarkt –
LBV fordert Gesamtkonzept für Erhaltung des Grünbestandes in Wohngebieten
Aus Anlass eines Wohnbauprojektes an der Saarlandstraße hat sich in den letzten Monaten eine lebhafte
Diskussion über die Folgen der Nachverdichtung entwickelt. Vor allem im östlichen Stadtgebiet findet man noch viele vergleichsweise kleine Häuser aus den 1950er und 1960er Jahren, umgeben von
großen Gärten und alten Bäumen. Aufgrund demografischer Entwicklungen werden in den nächsten Jahren voraussichtlich etliche dieser Grundstücke verkauft und baulich „entwickelt“. Am Beispiel des
aktuell diskutierten Wohnbauvorhabens – aber auch anderen Projekten in der Vergangenheit – war zu beobachten, dass die Bebauung fast immer mit einem Verlust an Grünflächen einherging.
Einzelbeobachtungen von LBV-Mitgliedern lassen darauf schließen, dass in den privaten Gärten oftmals noch ein
wertvoller Bestand an Tier- und Pflanzenarten existiert, angefangen von Vogelarten wie Gimpel, Girlitz, Singdrossel oder Stieglitz bis hin zu Säugetieren wie Fledermäusen, Siebenschläfern, Igeln
u.a.
Zudem sorgt der Grünbestand nicht nur für ein attraktives Wohnumfeld, sondern dämpft auch die Erwärmung der
Stadt in den heißen Sommermonaten – in Zeiten des Klimawandels ein nicht zu unterschätzender Faktor für das Stadtklima.
Der LBV fordert ein proaktives Vorgehen der Stadtverwaltung zur Erhaltung und Entwicklung des Grünbestandes in
den städtischen Wohngebieten. Dazu schlägt der LBV folgende Vorgehensweise vor:
1.
Ein erster Schritt wäre es, den älteren Baumbestand zu erfassen und diejenigen Bäume auszuwählen, die
nach Ansicht der Stadt unbedingt zu erhalten sind. Mittels GPS können diese Bäume in einer Karte punktgenau erfasst werden.
Die Stadt Neumarkt hat eine Baumschutzverordnung, die alle Bäume mit einem Stammumfang von mindestens 80 cm
erfasst. Die Baumschutzverordnung ist bei allen Bauvorhaben anzuwenden (sh. § 3 Abs. 3 Baumschutzverordnung). Nach § 3 dieser Verordnung darf ein solcher Baum im Rahmen von Baumaßnahmen nur
gefällt werden aus überwiegenden Gründen des Allgemeinwohls oder bei einer offenbar nicht beabsichtigten Härte. Ein solcher Härtefall liegt nach der Rechtsprechung nur in seltenen Ausnahmefällen
vor, jedenfalls nicht, wenn die Bebauung eines Grundstücks dadurch erschwert würde.
Die Befreiung von den Verboten der Baumschutzverordnung steht im Ermessen der Stadt.
Die Bauverwaltung hat die Baumschutzverordnung bei allen Baumaßnahmen anzuwenden. Die Stadt könnte eine
interne Richtlinie beschließen, wonach bei Bäumen, die aufgrund der Baumkartierung als unbedingt erhaltenswert eingestuft wurden, keine Befreiung von dem Verbot der Baumschutzverordnung erteilt
wird.
2.
Über die Erfassung des Baumbestandes hinaus sollte aber ein Gesamtkonzept für die Durchgrünung der
Wohngebiete entwickelt werden. Als fachliche Grundlage halten wir eine Erfassung von Flora und Fauna für unerlässlich. Man sollte deshalb – entweder gleichzeitig mit der Baumkartierung oder
in engem zeitlichem Zusammenhang – ausgewählte Tiergruppen, insbesondere Vögel, Nachtfalter, Wildbienen und Fledermäuse, sowie heimische Wildkräuter erfassen. Dabei könnten die
Anwohner auf freiwilliger Basis einbezogen werden, indem sie ihre Grundstücke für die Kartierung zugänglich machen oder selbst Beobachtungen (z.B. Igel) melden.
Der LBV regt an, die Stadtverwaltung zu beauftragen, die Baumkartierung und die Erfassung der Fauna und Flora
durchzuführen.
Diese Daten sollten in ein Grünkonzept einfließen, in dem Flächen bezeichnet werden, die als privater und
öffentlicher Grünbestand erhalten oder geschaffen werden sollten. Dabei muss nicht starr am jetzigen Bestand festgehalten werden. Es kann durchaus Bereiche geben, zusätzlich verdichtet werden
können, während andere Bereiche bewusst freigehalten werden.
Um öffentliche Grünflächen zu schaffen, könnte sich die Stadt ein Vorkaufsrecht verschaffen, indem sie mit
einer Vorkaufssatzung solche potentiellen Grünflächen definiert. Nach § 25 Baugesetzbuch hätte die Stadt dann bei jedem Grundstücksverkauf die Möglichkeit, sich die für das öffentliche Grün
notwendige Grundstücksfläche durch Ankauf zu sichern.
Dazu bedarf es keines Bebauungsplanes, es reicht auch ein verwaltungsinternes Planungskonzept aus (sh.
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof v. 17.9.2018 – 15 N 17.698).
3.
Die Stadt Neumarkt hat eine Satzung aus dem Jahr 1996 über die Gestaltung von Vorgärten und Werbeanlagen.
Diese Satzung sieht in § 3 Abs. 1 vor, dass Vorgärten zu begrünen sind. Diese Satzung sollte überarbeitet und gemäß der Ermächtigungsgrundlage des Art. 82 Nr. 7 Bayerische Bauordnung ergänzt
werden durch ein
-
Verbot von Schottergärten
-
durch ein Erhaltungsgebot bzw. Unterbauungsverbot von Bäumen auf unbebauten Flächen von Baugrundstücken.
Dieses Erhaltungsgebot könnte wiederum auf Baumbestände beschränkt werden, die als besonders erhaltenswert eingestuft werden (sh. Nr. 1).
4.
Wenn man darüber hinaus in bestimmten Arealen – über die Erhaltung des Baumbestandes hinaus - ein Mindestmaß
an unversiegelten Grundstücksflächen für Gärten/Vorgärten erhalten will, wäre zusätzlich ein Bebauungsplan erforderlich, der eine entsprechend niedrige Grundflächenzahl vorschreibt
(Verhältnis von Grundstücksfläche zu bebauter Grundstücksfläche). Auch die Festsetzung von Baufenstern, d.h. den Grundstücksflächen, in deren Grenzen gebaut werden darf, wäre möglich. Allerdings
verhindert eine solche Festsetzung nicht, dass die außerhalb des Baufensters liegenden Flächen als Stellplätze oder in sonstiger Weise befestigte Flächen genutzt werden können.
Der LBV ist sich im Klaren, dass es für die Stadtverwaltung nicht zu leisten sein wird, sämtliche Wohngebiete
in Neumarkt auf diese Weise gleichzeitig zu bearbeiten.
Man könnte aber mit Stadtteilen oder Straßenzügen beginnen, in denen die Gefahr für den Verlust an
Grünbeständen besonders drängend erscheint. Der LBV ist gerne bereit, sich bei der Erstellung eines Grünkonzeptes fachlich einzubringen.
Röckersbühl/Neumarkt, den 06.07.2021
LBV-Kreisgruppe Neumarkt i.d.OPf.
i.V.
Dr. Bernd
Söhnlein
Am Hohlweg 1a
92361 Berngau – Röckersbühl
Tel.: 09181 / 51 00 39 (tagsüber)
bernd.soehnlein@lbv.de